5
Jan
2006

Rechtschreibung als Stilfrage

Der Spiegel 1/06 hat unter der Überschrift "Hit und Top, Tipp und Stopp" einen wunderbar treffenden Artikel über die Rechtschreibreform geschrieben, der momentan noch online einsehbar ist. Schnell lesen, bevor er kostenpflichtig wird.

"(...) Mit der Rechtschreibreform hat die Politik ein Regelwerk beschlossen, das die Bürger nicht gefordert hatten. Sie hat sich daran gemacht, die Schriftsprache zu erneuern, obwohl die Deutschen keinen Erneuerungsbedarf hatten. Sie hat sich eines Bereichs bemächtigt, für den sie gar nicht zuständig ist.

Die Reformer gingen dabei vor, als müssten sie eine neue Straßenverkehrsordnung erlassen. Alles sollte einfacher, übersichtlicher, logischer werden. Sie schnitten weg, was ihnen überflüssig erschien, sie zeigten wenig Respekt für das Gewachsene. Doch die Sprache ist keine Straßenverkehrsordnung. Sie ist ein sehr komplexes, häufig widersprüchliches, manchmal staunenswertes Gebilde, das sich über die Jahrhunderte entwickelt hat, ohne immer klaren, jedermann einsichtigen Regeln zu folgen. Wer sich an ihr zu schaffen macht, stößt schnell auf Widerstände. (...)"


Der Spiegel spricht in der Folge von "zivilem Ungehorsam" gegen die Reform. Mir kommt es eher so vor, als sei im Zuge des Reformwirrwarrs immer mehr Leuten die Rechtschreibung komplett egal. Sie kapitulieren vor der Rechtschreibung als ganzes, weil sie den unausgegorenen Reformänderungen im Detail nicht folgen können.

Nachdem ich mich eine Weile durch Chats und Foren bewegt habe und zunehmend "echte" Legasteniker nicht mehr von "unechten" (d.h. "gewordenen") unterscheiden kann, kommt mir der jahrzehntelange, verbissen bis ins Detail geführte Streit um eine einheitliche Rechtschreibung umso mehr wie ein Kampf gegen Windmühlen vor.

Zumal die Reform die Verwirrung auch selbst begünstigt. Man schaue sich nur mal an, welch seltsame Blüten die neuen Regeln zur Groß- und Kleinschreibung bzw. zur Getrennt- und Zusammenschreibung von Wörtern im Netz treiben. Da haben die Leute irgendwo aufgeschnappt, dass man heute viel mehr getrennt schreibt als früher - und schon wird "dem Gefühl nach" munter drauflosgetrennt, mit teil weise ab surden Ergebnissen und unter anglizismentreuer Weglassung des Bindestriches.

Und während die Kommission noch über Spezialfälle der Groß- und Kleinschreibung streitet, wird diese immer öfter einfach ignoriert. Manchmal aus Faulheit, oft aber auch aus Prinzip.

Rechtschreibung wird somit für viele zur Frage des persönlichen Stils. Ich selbst schreibe so, dass ich mich wohl dabei fühle. Ich berücksichtige einige Neuerungen der Reform, die mir einleuchten und ignoriere andere, die ich nicht kenne oder die ich sinnlos finde. Wichtig ist dabei doch nur, dass die Lesbarkeit des Textes nicht leidet und der persönliche Umgang mit der Rechtschreibung konsequent betrieben wird - sonst wäre das schlechter Stil. Darüber, dass ich immer noch "schneuzen" statt "schnäuzen" (von Schnauze) schreibe, mokiert sich niemand. Und wenn, dann wird er Erbsenzähler und Klugscheißer genannt. ;)

In dem Sinne akzeptiere ich auch, dass unter anderem viele Blogger inzwischen konsequent klein schreiben. Jeder nach seiner Fasson - so wie schon damals, zu Luthers Zeiten.
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